Immer wieder gibt es Diskussionen, wie man aus dem Zenkutsu-Dachi in die Vorwärtsbewegung kommt. In vielen Artikeln findet man verschiedene Anleitungen und Übersetzungen aus diversen japanischen Büchern.
Aber was wird in Japan tatsächlich unterrichtet und warum?
Und warum wird es so in Japan so unterrichtet?
Befassen wir uns mit der Beschreibung wie ein Schritt vorwärts aus dem Zenkutsu-Dachi ausgeführt wird.
Hier ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Ausführung der Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung wie sie an jeder Ecke im Internet zu finden ist:
- Startposition: Beginnen Sie in der Zenkutsu-Dachi-Standposition. Ihr Gewicht ist auf das vordere Bein verlagert, das vordere Knie ist gebeugt, und das hintere Bein ist gestreckt.
- Schritt nach vorne: Um sich vorwärts zu bewegen, bringen Sie Ihr hinteres Bein in die Position des vorderen Beins. Dabei machen Sie einen großen Schritt nach vorne. Das vordere Knie bleibt gebeugt und in einem 90-Grad-Winkel, während das hintere Bein das Gewicht verlagert und sich in Richtung des vorderen Beins bewegt.
- Landung: Setzen Sie den Fuß des hinteren Beins flach auf dem Boden auf, während das vordere Bein weiterhin in der Zenkutsu-Dachi-Position bleibt.
- Fortsetzen: Um sich weiter vorwärts zu bewegen, wiederholen Sie den Schritt nach vorne, indem Sie das hintere Bein erneut vor das vordere Bein bringen.
- Fortbewegung: Wiederholen Sie die Schritte 2 bis 4, um sich kontinuierlich in die gewünschte Richtung zu bewegen. Achten Sie darauf, dass Sie bei jedem Schritt stabil und ausbalanciert bleiben, um eine effektive Bewegung zu gewährleisten.
Es ist wichtig, während der Vorwärtsbewegung in der Zenkutsu-Dachi-Standposition aufrecht und aufmerksam zu bleiben. Diese Technik ermöglicht es Ihnen, in einem Kampfgeschehen agil und kontrolliert auf Ihren Gegner zuzugehen und gleichzeitig Ihre Verteidigungsfähigkeiten zu wahren. Regelmäßiges Üben der Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung trägt dazu bei, Ihre Bewegungskoordination und Kampffertigkeiten im Karate zu verbessern.
Aus diesen Beschreibungen in den meinsten Büchern, kommen wir dann am Ende zu folgender Bewegung:
Hier stellen sich nun folgende Fragen zum Training der Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung:
Ist das schnell?
Ist das Effektiv?
Ist das eine „natürliche“ Bewegung?
Schnelligkeit
Möchte ich schnell sein, also muss ich mir die Frage stellen, wie ich so schell wie möglich von Punkt A (da wo ich jetzt stehe) zu Punkt B (da wo ich hin möchte) komme. Da kann uns die Mathematik schon mal einen logischen Hinweis geben.
Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten in einer zweidimensionalen Ebene ist eine gerade Linie, auch bekannt als „Gerade“. Mathematisch gesehen ist eine gerade Linie die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten A(x₁, y₁) und B(x₂, y₂) und wird durch die folgende Formel repräsentiert:
Abstand d = √((x₂ – x₁)² + (y₂ – y₁)²)
Hier sind (x₁, y₁) die Koordinaten des ersten Punktes (A) und (x₂, y₂) die Koordinaten des zweiten Punktes (B). Der Abstand (d) zwischen den beiden Punkten wird durch die Pythagoras-Formel berechnet, die den Satz des Pythagoras verwendet.
Wenn ich das jetzt einfach nur nach dieser Formal umsetzte, komme ich auf folgenden Bewegungsablauf in der Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung:
Effektivität
Krafteffektivität beschreibt die Effizienz oder Wirksamkeit einer Kraftanwendung. Es bezieht sich darauf, wie gut eine gegebene Menge an eingesetzter Kraft in eine gewünschte Leistung oder Arbeit umgewandelt wird. Eine hohe Krafteffektivität bedeutet, dass eine relativ geringe Kraft aufgewendet wird, um eine bestimmte Aufgabe oder ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
In der Physik wird die Krafteffektivität oft durch den Begriff „mechanische Effizienz“ oder „Wirkungsgrad“ beschrieben. Der mechanische Wirkungsgrad ist das Verhältnis der geleisteten Arbeit zur eingesetzten Energie oder Kraft. Ein Wirkungsgrad von 100% würde bedeuten, dass die gesamte eingesetzte Energie in nutzbare Arbeit umgewandelt wird, während ein Wirkungsgrad unter 100% darauf hinweist, dass ein Teil der Energie in unerwünschte Formen (wie Wärme oder Reibung) verloren geht.
In anderen Kontexten kann Krafteffektivität auch auf die Effektivität von Muskelkraft oder mechanischen Vorrichtungen bezogen werden. Beispielsweise beurteilen Sportler oder Fitness-Enthusiasten häufig die Effektivität ihrer Bewegungen, um sicherzustellen, dass sie die optimale Menge an Kraft aufwenden, um ihre sportlichen Ziele zu erreichen, ohne unnötige Energieverschwendung.
Dies würde nun auch im Karate bedeuten, dass ich versuche in der Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung möglichst wenig Kraft einzusetzten um von A nach B zu kommen. Hier ergibt sich dann folgendes Bild:
Möchte ich nun die Bewegung ohne unnötige Energieverschwendung ausführen, komme ich nach meiner Ansicht zwangsläufig zur Bewegung B. Es ist deutlich zu sehen, das eine unnötige Energieverschwendung stattfindet, da die Energie in zwei Richtungen erfolgt. Das passiert in der Regel, wenn die Trainer den Schülern im Training die Anweisung geben, dass hintere Bein an das vordere heranzuführen. So komme ich dann zur Bewegung A, die eine deutliche Energieverschwendung zeigt.
Bei der Bewegung B wird das hintere Bein direkt (soweit möglich) von hinten nach vorne bewegt, in dem es direkt unter dem Körper in einer Linie nach vorne gebracht wird. Also scheint eine direkte Beinbewegung ohne unnötige Energieverschwendung möglich zu sein.
Ist das eine „natürliche“ Bewegung?
Schauen wir uns einfach mal an, wie man ganz „normal“ über die Straße geht. Dann kommen wir zu folgendem Bewegungsablauf:
So haben wir einen ganz normalen Gang. Die Hüfte bleibt in der Regel in einer horizontalen Position und bewegt sich nur minimal. Wenn ich nun eine Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung möglichst natürlich machen möchte, muss ich mir den normalen Gang der Menschen ansehen. Dann komme ich auch auf einen Gang, der die Füße immer wieder in einer klaren geraden Bewegung nach vorne bewegt. Wenige Menschen die einen „normalen“ Gang haben, setzen erst den hinteren Fuß an den vorderen Fuß heran um ihn dann in die Endposition zu bringen.
Das hätte dann auch den Nachteil, dass die Hüfte immer wieder aus der horizontalen Lage gebracht wird.
Das bedeutet nun, dass ich wie in der Darstellung A die Hüfte immer wieder in eine Schräglage bringe, wenn ich den Fuß erst immer an das Standbein in der Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung bringe.
Versuche ich nun aber möglichst den Fuß direkt in die Endposition zu bringen, habe ich bei der Hüfte nur eine minimale Kippbewegung wie in der Darstellung B.
Bleibt nun also festzuhalten, dass die Bewegung aus den Gesichtspuntken Schnelligkeit / Effektivität und einer natürlichen Bewegung direkt in einer graden Bewegung nach Vorne erfolgen sollte. Also definitiv kein heranziehen des hinteren Fuß an den vorderen um ihn dann in die Enposition zu bringen.
Aber was sagen die Erfahrungen aus / mit Japan zu dem Thema?
Hunderte von Büchern und anderen Schriften wurden in diverse Sprachen übersetzt. Meistens von Leuten, die keine Gelegenheit hatten Rückfragen an den Autor der Schrift zu stellen.
Die Übersetzung vom Japanischen ins Deutsche oder eine andere Sprache kann einige Schwierigkeiten mit sich bringen. Hier sind einige der Herausforderungen, die bei der Übersetzung aus dem Japanischen auftreten können:
- Kanji-Schriftzeichen: Japanisch verwendet ein Schriftsystem mit mehreren Zeichensätzen, darunter Kanji (chinesische Schriftzeichen), Hiragana und Katakana. Kanji kann besonders knifflig sein, da viele Zeichen mehrere Bedeutungen haben können, abhängig vom Kontext.
- Wortbestellungen: Japanisch hat oft eine andere Wortreihenfolge als viele europäische Sprachen. Dies kann die Übersetzung schwierig machen, da die Sätze möglicherweise neu angeordnet werden müssen, um eine korrekte und natürliche Übersetzung zu gewährleisten.
- Kulturelle Nuancen: Die japanische Sprache enthält oft kulturelle Nuancen und Bedeutungen, die möglicherweise nicht leicht in eine andere Sprache zu übertragen sind. Die richtige Interpretation und Wiedergabe dieser Nuancen erfordert ein tiefes Verständnis der japanischen Kultur und Sprache.
- Höflichkeitsformen: Japanisch verwendet verschiedene Höflichkeitsformen, um Respekt und soziale Hierarchie auszudrücken. Die korrekte Übertragung dieser Höflichkeitsstufen kann kompliziert sein, insbesondere wenn es keine direkten Entsprechungen in der Zielsprache gibt.
- Onomatopöien: Japanisch verwendet viele Onomatopöien, um Klänge, Gefühle oder Zustände zu beschreiben. Diese können schwer zu übersetzen sein, da sie in der Zielsprache möglicherweise nicht die gleiche Wirkung haben.
- Wortspiele und Wortwitz: Japanisch ist bekannt für seine Wortspiele und Wortwitz. Diese können in der Übersetzung verloren gehen, da sie oft auf kulturellen Besonderheiten und Sprachunterschieden basieren.
- Eigennamen und Ortsnamen: Die Übersetzung von Eigennamen und Ortsnamen aus dem Japanischen kann herausfordernd sein, da viele von ihnen keine direkten Äquivalente in anderen Sprachen haben.
Also denke ich, kann man mit den meisten Büchern nicht arbeiten. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass es auch eine ganze Reihe Bücher gibt die sicherlich richtig übersetzt wurden durch den Übersetzer.
An den oben genannten Punkten ist zu sehen, dass es eine Vielzahl von Problemen geben kann wenn ich irgend eine Form von Anleitung für eine Karate Technik übersetzte. Damit ist die „Überlieferung“ in reiner Schriftform sehr Fehleranfällig, wenn ich bei unklaren Punkten nicht beim Autor nachfragen kann, was er genau gemeint hat.
Habe ich nun ein Buch oder ähnliches was übersetzt wurde, muss ich erst mal sicherstellen das der Übersetzer sich selber mit Karate beschäftigt und noch für Rückfragen den Kontakt zum Autor hat. Das kann ich nun aber nicht bei allen Büchern oder sonstigem Schriftmaterial sicher stellen oder in Erfahrung bringen. Da muss man dann schon mehr oder weniger „Glück haben“, ein gutes und korrektes Buch zu finden.
Woher nun also diese Informationen bekommen?
In Deutschland ist die sicherste Weise auf einem der diversen Lehrgänge einen der japansichen Trainer zu fragen. Meistens ist ein Übersetzer an der Seite des Trainer oder ein großer Teil der Trainer spricht auch Englisch. In der Regel ergibt sich auch immer mal auf einem Lehrgang die Möglichkeit solche Fragen zu klären.
Hat man das Glück in Japan zu trainieren (das ist zum Beispiel jeder Zeit in Tokyo im Honbu der Japan Karate Association möglich ist für jeden „Karate“ Touristen) kann ich bestimmte Themen, die unklar sind, direkt bei den Trainern in Japan ansprechen. Die sollten es ja wissen – die machen das ganze ja schließlich hauptberuflich.
Hier zeigt die Erfahrung, dass man solche Fragen stellen kann und auch bei solchen Themen eine detaillierte Erklärung erhält. Zumindest im JKA Honbu in Tokyo gibt es keine komischen Blicke, wenn man solche Themen noch einmal mit einem der Trainer diskutieren möchte. Ganz im Gegenteil.
Ein weiterer Weg ist es von Zeit zu Zeit in einem japanischen Verein direkt in Japan zu trainieren. Dies gestalltet sich in der Regel für normale Touristen als recht schwierig bis unmöglich. Dies ist in den meisten Fällen nur möglich, wenn man Kontakt zu einem Vereinsmitglied hat und von ihm mit zum Training genommen wird. Dort kann man dann auch diese Fragen direkt mit den Trainern erläutern und Diskutieren.
Im JKA Honbu wie auch beim Training im japanischen Verein kommen immer wieder die gleichen Kernaussagen zu dem Thema:
- mach es „Natürlich„
- nutze „so wenig Kraft“ wie möglich um dein Ziel zu erreichen
- „vermeide unnötige Bewegungen um die Bewegung schnell zu machen„
Diese Aussagen sind eigentlich bei allen Bewegungen gleich. Alle Bewegungen sollen unter diesen Aspekten betrachtet werden.
Damit ergibt sich die klare Aussage / Empfehlung die Zenkutsu-Dachi-Vorwärtsbewegung ohne ein ransetzen des hinteren Bein an das fordere Bein.
Die Bewegung soll direkt nach vorne erfolgen ohne Umwege!
Hier findet ihr auch noch eine Erklärung meines Trainers Keigo Shimizu hier in Deutschland:
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